Projekt xMND: Wie Mobilfunkdaten die Verkehrsmodellierung revolutionieren könnten
Zwar ist der Mensch bereits zum Mond geflogen, dennoch fällt es ihm immer noch recht schwer, das Fahrgastaufkommen der Buslinie 963 zwischen Bad Salzuflen und Lemgo zu bestimmen und vorherzusagen. Das liegt größtenteils daran, dass Verkehrsströme insbesondere im Personenverkehr bisher örtlich und zeitlich nur sehr punktuell erfasst werden konnten. Verkehrsbefragungen oder Zählstellen sind Beispiele für eine solche zeitlich-räumlich begrenzte Erfassung.
Die große Verbreitung mobiler Endgeräte eröffnet hier völlig neue Möglichkeiten. Denn jeder Besitzer eines Smartphones trägt gleichzeitig einen digitalen Sensor mit sich, welcher im Sekundentakt Bewegungsdaten aufzeichnet. In der Praxis zeigt sich das in sehr feinteiligen Trackingdaten, wie sie z. B. durch MotionTag über spezielle Apps erhoben werden, oder die Mobile Network Data (MND) welche in Deutschland z. B. durch die Telefónica NEXT bereitgestellt werden.
Im Projekt xMND, welches durch die Forschungsinitiative mFUND des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert wird, werden nun beide Datensätze, MND und genaue Tracking-Datensätze, zusammengetragen. Das Konsortium für das bis Mitte 2020 geplante Forschungsvorhaben besteht aus Telefónica Germany NEXT GmbH, civity Management Consultants GmbH & Co. KG (civity), Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) und MotionTag GmbH (MT). Anfang 2019 werden die ersten Datenerhebungen in Leipzig und im Kreis Lippe durchgeführt. Geplant ist, die Aussagekraft der MND zu den verschiedenen Verkehrsmitteln über eine Ground-Truth-Analyse, also dem Abgleich der speziellen Vor-Ort-Erhebung mit den flächendeckenden Datenbeständen, zu schärfen (Frauenhofer IAIS, MotionTag, Telefónica NEXT).
Die Aufgabe von civity besteht darin, die Anforderungen der Praxispartner zu sammeln und in eine übergeordnete Konzeption zu überführen. Danach wird die verbesserte Datengrundlage genutzt, um sie in zwei anwendungsorientierten Entwicklungen zu verwerten: in der Verkehrsmodellierung und in der Einnahmeaufteilung im öffentlichen Verkehr. Die prototypischen Entwicklungen erfolgen hierbei ebenfalls durch civity. Es wird erwartet, so einen ganz konkreten Mehrwert für die Verkehrsplanung sowie den ÖV-Betrieb zu erzeugen.
Die Verkehrsmodellierung hat bereits durch eine erhöhte Datenverfügbarkeit und verbesserte Rechenleistung in den letzten Dekaden einen Schub erfahren. Ins Rollen kommt das Ganze zusätzlich dadurch, dass neue Mobilitätsanbieter bei der Angebotsplanung methodisch mit einem weißen Blatt Papier anfangen können. So basiert der Zuschnitt von Bediengebieten im free floating Carsharing bereits auf MND. Mit dem verstärkten Aufkommen von MND stellt sich die Frage, ob die klassischen Ansätze zur Erhebung von verkehrsbezogenen Daten in Zukunft zumindest für die Darstellung des Ist-Zustandes des Verkehrs überholt sein könnten. Hier ziehen nun die Verkehrsunternehmen und -verbünde langsam nach – wobei natürlich einzelne ÖV-Unternehmen bereits früher schon eine Vorreiterrolle eingenommen haben.
Die Zwischenergebnisse des Projekts sollen auch für ein zu entwickelndes System für die Einnahmeaufteilung genutzt werden. Die Einnahmeaufteilung von Fahrgasterlösen zwischen mehreren an einem Gemeinschaftstarif beteiligten Verkehrsunternehmen stellt in Deutschland quasi einen „Heiligen Gral“ dar, da jede Änderung und Anpassung der einmal geschlossenen Abkommen ganz konkrete Auswirkungen auf die Einnahmesituation von Betreibern mit sich bringt. Auf der anderen Seite kommt eine stärkere Dynamisierung der Einnahmeaufteilung dem Wettbewerb und damit letztendlich dem Endkunden zugute. Dass hierbei die Grundsätze der Daseinsvorsorge berücksichtigt werden müssen, steht jedoch außer Frage. Dieser Interessenslage möchte sich civity mit einem neuen Ansatz stellen.
Die von civity entwickelte Konzeption zur Einnahmeaufteilung wird Mitte 2019 vorgestellt. Mit ersten Erkenntnissen aus den Pilotregionen ist Ende 2019 zu rechnen.