Digitale Transformation und Unternehmenskultur im Utilities Sektor
Auch im Bereich der Wasser-, Energie- und Abfallwirtschaft gewinnt die Digitalisierung zunehmend an Fahrt, stellt die Branche aber auch vor große Herausforderungen. Gerade die Bedeutung der Unternehmenskultur wird für das Gelingen der digitalen Transformation aber noch zu oft unterschätzt. Darüber und über die Chancen von Daten für die Optimierung der bestehenden Geschäftsmodelle berichten Friederike Lauruschkus, Katharina Buhnar und Robin Kabelitz.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung für die Ver- und Entsorgungswirtschaft und wie sind die Unternehmen der Branche aus eurer Sicht aktuell hierfür aufgestellt?
Robin Kabelitz: Die digitale Transformation hat auch 2019 weiter an Bedeutung und Schwung gewonnen. Zum einen liegt der Fokus dabei darauf, die interne Digitalisierung weiter voranzutreiben, z. B. durch zunehmend digitalisierte Prozesse und Kommunikationskanäle innerhalb der Unternehmen, aber auch zwischen Unternehmen und ihren Kunden. Zum anderen ermöglichen das Sammeln und Auswerten von Daten und die Installation von Sensortechnik immer mehr neue Produkt- und Geschäftsideen.
Die Unternehmen der Branche stellen sich daher zunehmend die Frage, wie man das Thema Digitalisierung gesamtheitlich angehen kann. Hierbei bringen wir unsere Erfahrung in der Strategieentwicklung verbunden mit unseren Kompetenzen im Bereich Data Analytics ein und entwickeln so gemeinsam mit den Kunden ihre individuelle Digitalisierungsstrategie.
Die Digitalisierungsstrategie umfasst neben dem Geschäftsmodell und der Frage der digitalen Kompetenzen in den Bereichen Data, Technologie und Anwendung wesentliche Kernelemente des Unternehmens: von der digitalen Wertschöpfungskette bis zu Kundenintelligenz, von der Prozessdigitalisierung bis zur Prozessautomatisierung und von der Innovation bis zur Veränderungsbegleitung.
Ist die Strategie definiert, gilt es, über eine Gap-Analyse den Handlungsbedarf zu ermitteln, geeignete Maßnahmen abzuleiten und diese in einer Roadmap zu bündeln.
Die Unternehmenskultur spielt eine zentrale Rolle für eine erfolgreiche digitale Transformation der Unternehmen.
Katharina Buhnar: Ein wichtiger, oft vernachlässigter Aspekt ist dabei, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Unternehmenskultur, auf Organisationsstrukturen und auf die Mitarbeiter/innen im Unternehmen hat. Große Herausforderungen für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten liegen in vorhandenen Widerständen auf unterschiedlichsten Ebenen, die aber für ein Gelingen der Transformation alle adressiert und bewältigt werden müssen.
Ein zentraler Erfolgsfaktor für die Unternehmen ist es daher nach unserer Erfahrung, die Mitarbeiter/innen einzubinden,mitzunehmen und gut zu befähigen. Schließlich braucht es für viele Digitalisierungsprojekte ein neues Mindset und damit eine Veränderung der bestehenden Unternehmenskultur. Beispiele für das Scheitern komplexer Umstrukturierungsprozesse, die einfach „von oben verordnet“ wurden, gibt es mittlerweile wahrlich genug. Wir haben gerade in einer matters-Studie gezeigt, dass die Unternehmenskultur tatsächlich das größte Hindernis für das Gelingen der digitalen Transformation von Verkehrsunternehmen ist.
Wie können Unternehmen der Abfallwirtschaft und Straßenreinigung von Smart Waste oder Datennutzung profitieren?
Robin Kabelitz: Sie können Kosten sparen, die Zufriedenheit der Kunden und das Ansehen bei den Bürgern steigern und ihre Ressourcen zudem effektiver und effizienter einsetzen. Kurz- bis mittelfristig werden Datenanalyse und -nutzung dazu führen, dass beispielsweise die Touren in der Straßenreinigung intelligenter und flexibler gesteuert werden und so mit den gleichen Ressourcen ein besseres Außenbild erzielt werden kann.
Durch smarte Datenanalyse lassen sich zum Beispiel die Touren in der Abfallwirtschaft flexibler und gleichzeitig mitarbeiterfreundlicher gestalten.
Weiterhin kann die körperliche Anstrengung von Touren in der Abfallwirtschaft transparent gemacht und objektiv bewertet werden. So lassen sich die unterschiedlichen Belastungen der Müllwerker auf den Touren angleichen, so dass diese länger und gesünder ihrer Tätigkeit nachgehen können.
Smart Waste und Datennutzung bieten aber auch die Möglichkeit, ganz neue Geschäftsideen zu entwickeln und z. B. Daten für die Kommune zu sammeln oder Fahrtwege für zusätzliche Dienste zu nutzen.
Welche Anforderungen stellen die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel an die Branche?
Friederike Lauruschkus: Der Weg hin zu einer echten Circular Economy stellt eine riesige Herausforderung dar, die keinesfalls allein von der (auch wenn im Deutschen so benannten) Kreislaufwirtschaft bewältigt werden kann. Vielmehr müssen die Weichen bereits in der Produktion von Gütern und im Materialeinsatz gestellt werden. Und wir müssen unsere Lebensweise und die damit verbundenen Konsummuster überdenken. Entsprechend ist dies eine Aufgabe für den gesamten Wirtschaftssektor, aber eben auch für uns alle als Verbraucher/innen.
Auf die Wasserwirtschaft kommen beim Thema Nachhaltigkeit zwei besondere Aufgaben zu: einerseits den Pflichten aus der neuen europäischen Trinkwasserrichtlinie nachzukommen, andererseits eine Regelung für die verursachungsgerechte Finanzierung zum Umgang mit Spurenstoffen im Wasser zu finden.
Gerade die Wasserbranche steht vor großen Herausforderungen bei der Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels.
Hinzu kommt noch, dass der zunehmend spürbare Klimawandel die Unternehmen der Wasserwirtschaft vor erhebliche Herausforderungen stellt: sie müssen erstens ihren Beitrag dazu leisten, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, und zwar möglichst um 50% bis 2030 gegenüber 2020.
Zweitens bringen Trockenheitsperioden und Starkregenereignisse neue Anforderungen an die Infrastruktur in Spitzlastzeiten mit sich; die Ver- und Entsorgungssicherheit muss auch unter extremeren Bedingungen standhalten.
Und drittens ist die Wasserwirtschaft gefordert, den Umbau hin zu einer grün-blauen Infrastruktur voranzutreiben, also etwa Wasserläufe wieder zu öffnen und im urbanen Raum Grün- und Versickerungsflächen zu schaffen, um die Klimaresilienz der Städte zu stärken. Jeder Baum hat den gleichen Kühlungseffekt wie zehn Klimaanlagen!
Was erwartet ihr für 2020?
Friederike Lauruschkus: Der Klimawandel wird als dominierendes Thema weiter die politische Agenda beherrschen. Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, steht der Wasser- und Abfallwirtschaft – wie übrigens auch nahezu allen anderen Sektoren – im kommenden Jahrzehnt die tiefgreifendste Transformation seit der industriellen Revolution bevor. Die gute Botschaft lautet dabei aber: Der Umbau ist bereits mit den heutigen technologischen Möglichkeiten zu bewältigen und ökonomisch tragbar. Nicht zu handeln, würde dagegen viel teurer werden.