Die Krise als Chance nutzen
Die Auswirkungen auf die Corona-Pandemie sind auch in kommunalen Unternehmen zu spüren. Ein relevanter Faktor hierfür ist, dass viele Unternehmen noch am Anfang der Digitalisierung stehen. Erschwert wurde diese in der Vergangenheit maßgeblich durch kulturelle Faktoren. Die Pandemie hat nun deren Bedeutung noch offensichtlicher gemacht. Einschätzungen zur aktuellen Entwicklung geben Friederike Lauruschkus und Philipp Guttschuß im Interview.
Wie stand es um die Digitalisierung von kommunalen Unternehmen vor der Corona-Pandemie?
Philipp Guttschuß: In einer Umfrage, die wir anlässlich der matters no.3 bei 50 Führungskräften durchgeführt haben, liegt der durchschnittlich geschätzte Reifegrad der Digitalisierung in kommunalen Verkehrsunternehmen bei 4,8 von 10. Als Hindernisse für die digitale Transformation werden hauptsächlich interne Faktoren wie etwa die bestehende Unternehmenskultur oder fehlende Kompetenzen genannt. Als stärkster Treiber gelten hingegen die Kunden.
Die Corona-Pandemie und die damit verbundene Home-Office Pflicht für einen Großteil der Angestellten hat die Unternehmen in vielerlei Hinsicht hart und unerwartet getroffen. Viele kommunale Unternehmen verfügten weder über die notwendigen IT-Systeme und die technische Infrastruktur, um ein dauerhaftes Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen, noch über die entsprechenden Prozesse. Die Voraussetzungen sind also oft schlicht nicht gegeben.
Welche Entwicklungen in Bezug auf die digitale Transformation konnten Sie in den vergangenen Wochen und Monaten beobachten?
Philipp Guttschuß: Die Unternehmen der Daseinsvorsorge mussten ihren Betrieb um jeden Preis aufrechterhalten. Während andere Branchen einen Großteil ihrer Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt haben, mussten Strom und Wasser weiter fließen, Abfall entsorgt und Fahrgäste transportiert werden.
Die völlig veränderten Rahmenbedingungen für das Arbeiten haben bereits erste Veränderungen bei Prozessen und Infrastruktur mit sich gebracht. Interne Hürden, die die digitale Transformation zuvor jahrelang ausgebremst hatten, wurden kurzfristig eingerissen. Es wurden Videokonferenzsysteme angeschafft, Freigaben für private Laptops und Handys erteilt, Führungskräftemeetings aus der Distanz durchgeführt. Vor allem aber hat sich die Einstellung verändert, dass ein anderes Arbeiten möglich ist.
Es bleibt abzuwarten, wie viele Unternehmen das Momentum nutzen können und neben der (Kunden-)Kommunikation und Dokumentenablage auch ihre Vertriebswege, Unternehmenssteuerung oder administrative Prozesse digitalisieren werden.
In Ihrer Studie wird die vorherrschende Unternehmenskultur als Haupthindernis für die Digitalisierung genannt. Gehen Sie davon aus, dass nun der Digitalisierungsschwung auch eine Auswirkung auf die Unternehmenskultur hat?
Friederike Lauruschkus: Kultur manifestiert sich einerseits sichtbar im Verhalten, andererseits aber auch unter der Oberfläche in Einstellungen, Normen und Werten. Und hier können wir in den Gesprächen mit den kommunalen Unternehmen eine Veränderung beobachten. Während in der Zeit vor Corona häufig eine auf Präsenz und damit Kontrolle beruhende Führungskultur vorherrschte, hat sich nun sehr schnell gezeigt, wie wichtig der eigenverantwortliche Einsatz eines jeden Einzelnen ist und dass auch mit dem Vertrauen darin vieles besser funktioniert hat als vorher. Führung hat eine extrem wichtige Funktion in dieser Veränderung: Hier geht es um das Vorleben einer veränderten Einstellung zur gemeinsamen Zusammenarbeit, zum Teilen von Informationen und Wissen und zur Übergabe von Verantwortung und Entscheidungsspielräumen. Und diese kulturellen Werte sind auch Voraussetzung für eine gelingende Digitalisierung, für Innovation, für Veränderung.
Wie sind Sie als Unternehmen der Krise begegnet? Welche Erwartungen haben Sie an die eigene Unternehmenskultur in den kommenden Monaten und Jahren?
Friederike Lauruschkus: Als verhältnismäßig junges Unternehmen und bedingt durch die Beratungsbranche waren wir bereits vor der Krise digital recht gut aufgestellt. Daher führten die Kontaktbeschränkungen neben der physischen eher zu einer psychischen als digitalen Umstellung. Der sonst rege persönliche Austausch in unseren Büros oder auf Dienstreisen, den unsere Mitarbeitenden als wichtigen Teil der Unternehmenskultur bei civity bezeichnen, fiel plötzlich weg. Doch auch hier schaffen digitale Tools Abhilfe. Regelmäßige Videokonferenzen in großer oder kleiner Runde wurden initiiert, um sich über Projekte, Internes und Privates auszutauschen. Kommunikation musste geplant werden, ja, aber sie fand und findet noch bewusster statt. Dieser Zustand ist jedoch weder in unserem noch in anderen Unternehmen auf Dauer tragbar. Für eine gewisse Zeit kann eine Krise die Unternehmenskultur sogar stärken, weil alle ein gemeinsames Ziel verfolgen und sich dabei stärker fokussieren. Auf lange Sicht ist jedoch klar, dass auch ein persönliches Miteinander ungemein wichtig ist, es stiftet Identität und Zugehörigkeit und die brauchen Menschen in einem guten Arbeitsumfeld.