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EU-Schienennetz der Zukunft: Benchmarking-Studie für zustandsorientierte Instandhaltung als Schlüssel für Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit

Wartung und Instandhaltung der Eisenbahninfrastruktur sind von elementarer Bedeutung für einen leistungsfähigen Zustand des Bahnnetzes. Mit zunehmender Konzentration auf Ausbauprojekte und wegen knapper Budgets gerät dieses Thema jedoch oft in den Hintergrund. Um der Bedeutung einer leistungsfähigen Bahninfrastruktur und deren Wechselwirkung mit Wartung, Instandhaltung und Erneuerung (Maintenance & Renewal, M&R) stärkere Aufmerksamkeit zu widmen, hat civity mit den Europäischen Bahninfrastrukturbetreibern im Auftrag der EU-Kommission eine umfassende Studie über verschiedene Ansätze zur Bewertung des Netzzustands und der Verbindung zu präventiveren M&R-Ansätzen durchgeführt.

Die Studie zeigt, dass die meisten europäischen Eisenbahninfrastrukturbetreiber (IM) in den letzten zehn Jahren als wertvolles strategisches Managementinstrument Netzzustandsberichte (Network Condition Reports, NCR) eingeführt haben. Diese Formate verbessern die Berichterstattung über den Zustand der Anlagen und somit auch das Verständnis dafür. Indem Maintenance- und Renewal-Bedarfe und die resultierenden Finanzierungsbedarfe identifiziert werden, wird ein ganzheitlicher Blick auf den Netzzustand möglich.

In den Netzzustandsberichten wird in der Regel der zugrundeliegende kausale Zusammenhang zwischen M&R und dem Netzzustand erwähnt. Zusammenhänge zwischen spezifischen Instandhaltungsmaßnahmen und dem daraus resultierenden Netzzustand werden allerdings bislang noch selten aufgezeigt. Es scheint schwierig zu sein, solche Ursache-Wirkungs-Beziehungen in einer kurzfristigen Perspektive darzustellen. Qualität und Verfügbarkeit von Anlagendaten stellen dabei zentrale Herausforderungen für die Infrastrukturmanager dar.

Im Einklang mit verbessertem Wissen über den Zustand der Anlagen entwickeln und verfeinern die europäischen Infrastrukturmanager ihre M&R-Strategie kontinuierlich. Dies ermöglicht es ihnen, rein korrektive Reparaturmaßnahmen zu reduzieren und zu einem stärker präventiven und zustandsorientierten M&R-Ansatz überzugehen. Die beiden wesentlichen Informationsquellen für die Entwicklung von M&R-Strategien sind dabei die theoretische Modellierung der Lebenszykluskosten (LCC) und die zustandsbasierten Inspektionsdaten der Anlagen. Die Verknüpfung dieser Daten in einem iterativen Prozess erlaubt die kontinuierliche Bewertung der erwarteten Restlebensdauer der Anlagen. Genauere Daten zur Restlebensdauer wiederum ermöglichen eine bessere Bestimmung von Häufigkeit und Zeitpunkt von Inspektionen sowie zustandsangepasste Wartungs- und Erneuerungsarbeiten.

Die Ausgaben für Wartung, Instandhaltung und Erneuerung (M&R) machen mit durchschnittlich etwa 40 % einen erheblichen Anteil der jährlichen Gesamtausgaben der IM aus. Eine häufig aus Haushaltsgründen motivierte Verschiebung geplanter M&R-Aktivitäten führt in der Regel kurzfristig nicht direkt zu Qualitätseinbußen im Bahnnetz. Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch, dass diese Verschiebungen längerfristig oft zu einem Anstieg der Gesamtausgaben für die Eisenbahninfrastruktur führen.

Die Gewährleistung von Sicherheit ist immer unabdingbare Voraussetzung für Infrastrukturmanager, daher konzentrieren sich alle M&R-Strategien auf die Erfüllung dieser Grundanforderung. Nur wenige Infrastrukturmanager gehen in ihrer M&R-Strategie jedoch darüber hinaus und richten sich auch an einer optimalen Lebensdauer der Anlagen und der Optimierung der Lebenszykluskosten aus.

In drei Schlaglichtern macht die Studie deutlich, dass aus langfristiger Perspektive auch budgetäre Gründe für eine M&R-Strategie sprechen, die auf nachhaltigen Substanzerhalt der Bahninfrastruktur setzt. Eine Reduktion der M&R-Aktivitäten auf reine Schadensbehebung kann zwar die Sicherheit gewährleisten, geht aber mit Zeitverzögerung buchstäblich nach hinten los: Mittel- bis langfristig übersteigen die Gesamtkosten der Instandhaltung oft die anfänglichen Einsparungen, die Servicequalität verschlechtert sich und die Notwendigkeit einer früheren Erneuerung treibt die Kosten noch weiter in die Höhe.

Mit der Notwendigkeit langfristiger Planung und kontinuierlicher M&R-Investitionen, wird jedoch auch der Interessenkonflikt deutlich, dem sich die Verantwortlichen der Eisenbahninfrastruktur oft ausgesetzt sehen. Es besteht eine Diskrepanz zwischen kurzfristigen Einsparmöglichkeiten bei Wartung und Instandhaltung und einem wirtschaftlich nachhaltigen, langfristig leistungsfähigen Betrieb der Bahninfrastruktur. Nicht zuletzt der aktuelle, bedauernswerte Zustand der Bahninfrastruktur in Deutschland verdeutlicht eindrücklich, wie wichtig es ist, der Versuchung kurzfristiger Einsparmöglichkeiten zu widerstehen.

Eine ausführliche Beschreibung dieser Punkte findet sich in der offiziellen Zusammenfassung der Studie:

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