Das beste Angebot ist nicht der Preis – Der „Wiener Weg“: weit mehr als die 365-Euro-Jahreskarte
Der „Wiener Weg“: Blaupause für eine erfolgreiche Verkehrswende?
civity will mit der vorliegenden Studie anderen europäischen Städten, die nach verkehrspolitisch sinnvollen Instrumenten suchen, eine Einschätzung des „Wiener Wegs“ ermöglichen und die Wirksamkeit der in der Donaumetropole ergriffenen Maßnahmen bewerten.
Dabei untersuchen wir vor allem folgende Fragen:
- Ist der Erfolg der Wiener 365-Euro-Jahreskarte nachhaltig oder steigerten vor allem andere Faktoren und verkehrspolitischen Entscheidungen den Erfolg der „Öffis“ in Wien?
- Was können andere Städte vom „Wiener Weg“ lernen und auf ihre eigenen Planungen übertragen – und was ist vielleicht aufgrund besonderer Gegebenheiten an der Donau nicht übertragbar auf andere Metropolen?
Der öffentliche Verkehr in Wien verzeichnete in den vergangenen 25 Jahren eine beeindruckende Steigerung seines Anteils am Modal Split. Diese Steigerung hängt jedoch nicht monokausal mit der Einführung der 365-Euro-Jahreskarte zusammen.
Zwischen 1993 und 2012 stieg der Modal Split des öffentlichen Verkehrs in der Donaumetropole von 29 Prozent auf 38 Prozent – ein Wert, der den deutscher Großstädte deutlich übertrifft. Seit der Einführung der 365-Euro-Jahreskarte im Jahr 2012 hat sich der ÖPNV-Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen jedoch nicht mehr merklich verändert.
Wien hat mit Abstand die größte Anzahl an Haltestellenabfahrten pro Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche. Diese Kennzahl ist sehr relevant: Untersuchungen zeigen, dass dichte Taktverkehre zu einer höheren ÖPNV-Nutzungsbereitschaft führen, da der Fahrplan als „verlässlicher“ wahrgenommen wird. Niedrige Taktfrequenzen unterbinden dagegen den spontanen Einstieg in den ÖPNV.
74 Prozent aller Einwohner und 47 Prozent der Siedlungsfläche sind an ein schienengebundenes Verkehrsmittel angeschlossen – unter den deutschen Großstädten weist nur München ähnlich hohe Werte auf. Insgesamt haben in Wien 93 Prozent aller Einwohner und 86 Prozent der Siedlungsfläche einen direkten fußläufigen Zugang (abhängig vom öffentlichen Verkehrsmittel innerhalb eines Radius von 300 – 500 Metern) zum öffentlichen Verkehr.
Seit dem Jahr 2000 stiegen die Platzkilometer des ÖPNV in Wien um insgesamt 42 Prozent, zwischen 2006 und 2017 um 31 Prozent (siehe Grafik). Dies ist ein deutliches Bekenntnis zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum wurde das Angebot in Berlin um zehn Prozent, in Hamburg um 16 Prozent, in München um 23 Prozent und in Köln um drei Prozent ausgebaut.
Die Einnahmen durch die Parkraumbewirtschaftung in Wien übersteigen die Werte der deutschen Millionenstädte um ein Vielfaches.
Die Parkraumpolitik Wiens unterscheidet sich signifikant von der deutscher Großstädte. Sie ist ein wesentlicher Stellhebel des „Wiener Wegs“, da sie eine verkehrssteuernde Wirkung besitzt, maßgeblich zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beiträgt und zudem eine klare verkehrspolitische Signalwirkung entfaltet. Im Zuge der Tarifanpassung im Jahr 2012 wurde damit begonnen, die Parkraumbewirtschaftung noch einmal deutlich zu intensivieren. Bis heute werden regelmäßig neue Stadtbezirke in die Bewirtschaftung integriert, Gebühren erhöht sowie der Kontrolldruck weiter gesteigert. Die damit erzielten Einnahmen übertreffen die deutscher Städte um ein Vielfaches und tragen ganz wesentlich zur Finanzierung eines attraktiven ÖPNV bei.
Quellen
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Bundesagentur für Arbeit 2017
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STATISTIK AUSTRIA 2016
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Destatis (31.12.2016)