Corona-Krisenmanagement in der Mobilitätsbranche
Die Corona-Krise hat die europäische und deutsche Wirtschaft binnen weniger Tage ebenso grundlegend verändert wie das Sozialleben in der Gesellschaft. Dienstleister und Produktionsbetriebe legen Zwangspausen ein, Arbeitnehmer agieren aus dem Homeoffice und spüren die Auswirkungen in Form von Kurzarbeit. Die Zeichen stehen für die Wirtschaft global auf Rezession.
Auswirkungen auf Wirtschaft und Mobilitätsbranche
Diese sozialen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen treffen auch die Mobilitätsbranche. Dabei werden die unterschiedlichen Rollen der Anbieter und Akteure in der Branche sichtbar. Globale Akteure – z. B. in der Luftverkehrsindustrie – bleiben im wörtlichen Sinne auf dem Boden, lokal zeigt sich ein differenzierteres Bild. Während Anbieter von Pooling- und Sharing-Diensten ihre Angebote temporär drastisch kürzen bzw. komplett einstellen, kommt den Verkehrsunternehmen im ÖPNV und SPNV trotz sinkender Nachfrage eine zentrale Rolle zum Erhalt der kritischen Infrastruktur zu. Eine Rolle im ureigenen Sinne der Daseinsvorsorge.
Krisenbewältigung in mehreren Phasen – reagieren, agieren und gestalten
Diese Veränderungen auf globaler und lokaler Ebene haben zunächst eines gemein: Es sind Reaktionen. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Krise ließen den Akteuren nahezu keine Spielräume, sich proaktiv und steuernd darauf vorzubereiten. Vielmehr ging es darum, kurzfristig Antworten auf die dringendsten Fragen zu finden.
Die Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten der Akteure wandeln sich im Verlauf der Krise. Insbesondere der Wandel von einem reagierenden in einen agierenden Modus ist in der Krisenbewältigung ein zentraler Aspekt. Dieser Verlauf ist anhand von drei Phasen schematisch für ÖPNV/SPNV-Verkehrsunternehmen – d. h. Unternehmen und Aktivitäten im Sinne der Daseinsvorsorge – in nachfolgender Grafik skizziert.
In einer ersten Phase – dem akuten Krisenmanagement – reagieren Verkehrsunternehmen auf die Corona-Krise. Diese Reaktion umfasst in der externen Sicht insbesondere operative Aspekte. Der Betrieb wird als Reaktion auf Schulschließungen und Nachfrageeinbrüche auf einen reduzierten Krisen-Fahrplan angepasst. Über diese Anpassungen sind die Kunden kurzfristig und bestmöglich zu informieren.
Als Reaktion auf die einbrechende Nachfrage und den damit verbundenen Einnahmeausfällen ist zudem die Liquidität der Unternehmen für die Dauer der Krise zu prüfen und zu sichern. Im Hinblick auf das interne Krisenmanagement muss zunächst kurzfristig der Arbeitsmodus der Mitarbeiter/innen angepasst werden, um die Handlungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Während für Verwaltungsmitarbeiter/innen im Homeoffice lediglich eine entsprechende IT-Ausstattung erforderlich ist, sind Mitarbeiter/innen in betrieblichen Bereichen stärker betroffen. Die Gesundheit von Mitarbeitern/innen im Fahrdienst und im direkten Kundenkontakt ist durch Schutzmaßnahmen und eine entsprechende Ausrüstung zu sichern. Im Zweifel sind die Tätigkeiten auf ein Mindestmaß zu reduzieren und temporär z. B. Fahrerverkauf und Fahrausweiskontrollen auszusetzen sowie Kundencenter zu schließen.
In der zweiten Phase – der Krisenbewältigung – kommen die Verkehrsunternehmen stärker in einen agierenden Modus, in dem es primär darum geht, die Geschäftsgrundlagen zu sichern. Extern wird gegenüber Kunden der Fahrbetrieb aufrechterhalten. Dies entspricht der originären Aufgabe der Daseinsvorsorge und stellt in dieser Zeit vor allem sicher, dass Mitarbeiter der kritischen Infrastrukturen die Wege von und zu ihrer Arbeitsstätte zurücklegen können.
Durch anhaltende Nachfrageeinbrüche ergeben sich in dieser Zeit auch Fragen in Bezug auf die regulierungskonforme Finanzierung. Unternehmen müssen daher ihre Einnahmeausfälle gesamthaft abschätzen und nachhalten. In enger Abstimmung mit den Aufgabenträgern ist auch die Finanzierungsübernahme unter Berücksichtigung der regulatorischen und vertraglichen Rahmenbedingungen zu klären.
Mit Blick auf die Einnahmensicherung sind zudem proaktive Anstrengungen zu unternehmen, um bisherige Kunden zu binden und nicht an andere Verkehrsträger zu verlieren. Hierzu zählt neben der Kommunikation auch eine starke Kundenorientierung. In der internen Perspektive stehen Unternehmen vor der Herausforderung, den krisenbedingt geringeren Personalbedarf und die langfristige Mitarbeiterbindung in Einklang zu bringen.
In der dritten Phase schließlich geht es um den Weg aus der Krise. In dieser Phase ist der Pfad zurück in einen normalisierten Zustand absehbar und die Unternehmen können nun eine gestaltende Rolle einnehmen, in der es vor allem darum geht, bisherige Strategien zu adjustieren. Operativ und betrieblich können die Unternehmen Stück für Stück in den Normalzustand zurückkehren. Strategisch geht es vor allem darum, geänderte gesellschaftliche und soziale Rahmenbedingungen zu antizipieren und diese in Form angepasster Unternehmensstrategien zu berücksichtigen.
Eine hohe Bedeutung kommt der Ansprache der Kunden zu, die schnellstmöglich wieder zu aktivieren sind. Hierzu gehören u. a. die durch Kündigung verlorenen Abonnenten. Nur eine schnelle Reaktivierung beugt einem dauerhaften Verlust an andere Verkehrsträger vor. In Bezug auf die internen Aktivitäten ist von den Unternehmen sicherzustellen, dass die benötigten betrieblichen Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, so dass der Normalbetrieb vollumfänglich sichergestellt werden kann. Auch Verwaltungsmitarbeiter werden wieder in den „Vor-Krisen-Arbeitsmodus“ zurückkehren.
Frühzeitig Grundlagen für die Zeit nach der Krise legen
Die Vielzahl an Unsicherheiten und Unklarheiten, insbesondere in Bezug auf die Dauer und das Ausmaß, stellt die Akteure in der gegenwärtigen Krise vor die größten Herausforderungen. Insoweit ist es empfehlenswert, die verschiedenen Krisenphasen in Szenarien für unterschiedliche Entwicklungen und Dauern zu betrachten. Der bewusste Wechsel aus dem Modus des Reagierens in den Modus des Agierens und des Gestaltens ist hierbei von zentraler Bedeutung.
Die agierende und gestaltende Rolle des ÖPNV-/SPNV-Akteurs ist zentral, um die Branche durch die Krise führen zu können. In langfristiger Hinsicht ist dieser Rollenwechsel zur Wahrung der Zukunftschancen der Mobilität ebenso von immenser Bedeutung. Es geht hierbei um nicht weniger als den Schwung und Rückenwind, den die Branche vor der Krise im Sinne der Verkehrswende erhalten hat, in die Zukunft nach der Krise unter Berücksichtigung der veränderten Rahmenbedingungen zu übersetzen. Eine „Verkehrtwende“ zurück zu mehr Individualverkehr gilt es in jedem Fall zu verhindern!