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Mehr Attraktivität auf der Schiene: Differenzierte Trassenentgelte können den grenzüberschreitenden Fernverkehr in Europa fördern

Die EU, Deutschland und viele weitere europäische Länder haben ehrgeizige Wachstumsziele für den Schienenpersonenverkehr kommuniziert. In einer Studie der Europäischen Kommission (EUC) mit Schwerpunkt auf Trassenpreise untersuchte civity mehrere Optionen, die diese internationalen Verkehre unterstützen und das Wachstum über den historisch niedrigen Anteil von 6–7 % aller Personenkilometer im europäischen Schienenverkehr hinaus fördern können.

In Zusammenarbeit mit den europäischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) hat civity festgestellt, dass zur Förderung des grenzüberschreitenden Personenfernverkehrs neue Entgeltansätze denkbar sind, von denen einige auch bereits in der Praxis eingesetzt werden. Die Förderung durch Trassenentgelte stößt jedoch dort an Grenzen, wo eine ausreichende Finanzierung der Schieneninfrastruktur gefährdet ist.

Trassenentgelte sind derzeit nicht als Förderinstrumente konzipiert und intendiert. Sie sollen vielmehr als Element der Nutzerfinanzierung zur Kostendeckung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) beitragen. Der Entgeltgrundsatz grenzkostenorientierte Nutzungsentgelte soll eine optimale Nutzung der Infrastrukturkapazität gewährleisten (siehe Richtlinie 2012/34/EU). Bei der Festlegung von Aufschlägen als Teil der Trassenentgelte sieht die Richtlinie jedoch vor, dass die wirtschaftliche Situation des Infrastrukturnutzers berücksichtigt wird (Konzept der Tragfähigkeit des Marktes).

Die derzeitigen Trassenentgeltsysteme der europäischen EIU unterscheiden nicht grundsätzlich zwischen grenzüberschreitenden und nationalen Personenfernverkehrsdiensten. Trassenentgelte für grenzüberschreitende Verbindungen sind nicht systematisch höher und nicht systematisch niedriger als Entgelte für nationale Verbindungen. Die Förderung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenfernverkehrs scheint bisher kein Ziel oder Schwerpunkt für die Festlegung der Entgelte zu sein.

Die analysierten Trassenentgelte basieren auf verschiedenen Kosten- und Dienstleistungselementen, wie z. B. der Streckennutzung (Standard- oder Hochgeschwindigkeit), dem Gewicht des Rollmaterials und der Zuverlässigkeit der angebotenen Verkehre. Dadurch unterscheiden sich die Entgelte je nach Strecke und Verbindung. Die Attraktivität eines Zielortes und die Bevölkerungszahl beeinflussen die Tragfähigkeit einer Strecke zu diesem Zielort, unabhängig davon, ob er sich im In- oder Ausland befindet.

Häufige, schnelle Metropolverbindungen mit einer Reisedauer von unter fünf Stunden haben tendenziell höhere Kosten aufgrund höherer Geschwindigkeiten, attraktiverer Zeitfenster und dichterer Takte, was auch die Tragfähigkeit für diese Verkehre erhöht, wiederum unabhängig davon, ob sie grenzüberschreitend oder national angeboten werden. Daher werden Verbindungen zwischen internationalen Metropolen auf Hochgeschwindigkeitsstrecken tendenziell mit Aufschlägen oder zusätzlichen Abgaben belastet. Beispielhafte grenzüberschreitende Verbindungen sind Frankfurt–Brüssel und Amsterdam–Paris.

Im Gegensatz dazu sind bei Verbindungen zwischen weniger frequentierten und kleineren Städten auf konventionellen Strecken mit einer Reisedauer über sechs Stunden die Kosten des Leistungsangebots und die Tragfähigkeit geringer, wiederum unabhängig von einem Grenzübertritt. München–Prag, Graz–Triest und Salzburg–Zagreb sind hier beispielhafte internationale Verbindungen. Welche dieser Verbindungen möglicherweise gefördert werden sollten, ist letztlich eine politische Frage.

Für die Eisenbahnunternehmen (EVU) stellen die Trassenentgelte für den grenzüberschreitenden Personenfernverkehr eine erhebliche Kostenkomponente dar, zusätzlich zu anderen zusätzlichen Aufwendungen im grenzüberschreitenden Verkehr, wie z. B. erhöhter Verwaltungsaufwand, Zusatzanforderungen an das Zugpersonal und Spezifika des rollenden Materials. Dass Entgeltsenkungen nachfragesteigernde Wirkung auf den grenzüberschreitenden Fernverkehr haben können, zeigen auch die Markt- und Elastizitätsanalysen, Expertengruppen und Modellierungen der Verkehrsmittelwahl, die EIU ermittelt haben.

Differenzierte Trassenentgelte und Newcomer-Boni sind Entgeltansätze, die europäische EIU zur Förderung bestimmter Personenverkehrsdienste bereits einsetzen. Differenzierte Trassenentgelte unterscheiden zwischen internationalen und nationalen Verbindungen oder zwischen neu angebotenen und bereits im Fahrplan verankerten Verbindungen. Einige europäische EIU bieten einen internationalen Anreiz, durch ermäßigte Entgelte ohne Aufschlag für grenzüberschreitende Personenverkehre, während inländische Personenverkehre die regulären Entgelte einschließlich Aufschlag zahlen. Mit einem Bonus für neue Dienste bieten einige EIU reduzierte Entgelte für alle neu angebotenen Verbindungen an, sowohl international als auch national. Diese Newcomer-Boni gelten für Eisenbahnunternehmen, die neu in den Markt eintreten, aber auch für etablierte Unternehmen, die neue Strecken in ihrem Portfolio anbieten.

In der Studie wird deutlich, dass innerhalb der Entgeltstrukturen der EIU nicht alle Zugverkehre gleichermaßen zur Kostendeckung über Trassenentgelte beitragen und die Aufschläge nicht für alle Verkehre gleich sind. Unterschiedliche Tragfähigkeiten kommen hier zum Tragen. Quersubventionierung zwischen verschiedenen Verkehren kann ein Ansatz sein, der zur Förderung bestimmter grenzüberschreitender Personenfernverkehrsverbindungen gewählt wird. Für die Summe aller Schienenverkehre gilt jedoch, dass deren Gesamtkosten gedeckt werden müssen. Wenn dies nicht über Entgelte erreicht werden kann, sind höhere staatliche Mittel erforderlich, um den Finanzbedarf der Eisenbahninfrastrukturunternehmen auszugleichen.

Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse wurde von PRIME (Platform of Rail Infrastructure Managers in Europe) veröffentlicht.