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Parken für Fortgeschrittene

Für eine effektive Verkehrswende braucht es neben Pull-Faktoren wie etwa dem Angebotsausbau des ÖPNV auch Push-Faktoren. Tarik Shah plädiert für die Intensivierung der Parkraumbewirtschaftung durch Kommunen und zeigt auf, wie eine mögliche Umsetzung aussehen kann.

So kontrovers die Klimadebatte in Deutschland aktuell auch geführt wird, konsensfähig ist wohl zumindest die Aussage, dass wir unsere Klimaziele ohne ein umfassendes, rasches Umsteuern in der Verkehrspolitik verfehlen werden. Doch leider enden damit auch schon die Gemeinsamkeiten, weshalb es weiterhin an einer konsistenten Strategie und entschlossenem Handeln in Sachen Verkehrswende mangelt: statt zügig grundlegende Reformen anzugehen, erschöpft sich die öffentliche Diskussion noch viel zu häufig in Tarifpopulismus, z. B. der Forderung nach 365-Euro-Jahreskarten oder gar einem komplett kostenlosen ÖPNV.

Push und Pull

Eine wirklich erfolgreiche Verkehrswende braucht aber nicht nur eine umfassende Angebotsoffensive und eine anwenderfreundliche Tarifgestaltung (Pull-Faktoren), sondern ebenso Maßnahmen, die den Besitz und die Nutzung von privaten Pkw überall dort unattraktiver machen, wo der öffentliche Raum knapp und der ÖPNV gut ausgebaut ist (Push-Faktoren). Letzteres trifft aber derzeit vielerorts noch auf starke Vorbehalte bei politischen Entscheidern/-innen und Anwohnern/-innen.

Ein wesentlicher Push-Faktor ist dabei zweifellos eine Intensivierung der Parkraumbewirtschaftung in den städtischen Zentren. In unserer Studie „Der ‚Wiener Weg‘ – weit mehr als die 365-Euro-Jahreskarte“ zeigen wir, mit welcher Strategie es der österreichischen Hauptstadt gelang, ein wichtiges verkehrspolitisches Signal zugunsten des ÖPNV zu setzen und gleichzeitig ihre verkehrspolitischen Spielräume mit den Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung (in Wien sind diese teilweise zweckgebunden zugunsten des öV) deutlich zu steigern: binnen weniger Jahre wurde die Zahl der bewirtschafteten Stellplätze nahezu verdreifacht, die Kurzparkerpreise spürbar angehoben und auch der Kontrolldruck verstärkt.

Die von uns ebenfalls untersuchten deutschen Millionenstädte Berlin, Hamburg, München und Köln dagegen hinken demgegenüber v. a. in puncto bewirtschaftete Flächen deutlich hinterher. Was wäre also hierzulande vorrangig zu tun?

Gebühren für Bewohnerparken

Gegenwärtig sieht die Gebührenordnung für Bewohnerparken einen Rahmen von 10,20 EUR bis 30,70 EUR pro Jahr vor, was lediglich den Verwaltungsaufwand für die Antragsbearbeitung und die Erstellung der Vignetten abdeckt. Das Land Berlin hatte daher im Bundesrat kürzlich den Antrag eingebracht, die Obergrenze für diese Parkausweise auf 240 EUR pro Jahr zu erhöhen. So sollten die Städte und Kommunen mehr Spielraum für die Ausgestaltung der Gebühren erhalten, um auf diese Weise endlich auch den enormen wirtschaftlichen Wert und die städteplanerische Bedeutung von Stellplätzen in gefragten Innenstadtlagen angemessener bepreisen zu können. Doch fiel dieser Antrag vor wenigen Tagen im Plenum des Bundesrats durch – auch auf ausdrücklichen Wunsch von Bundesverkehrsminister Scheuer hin.

Dabei hätte sich Deutschland mit einer Obergrenze von 240 EUR im internationalen Vergleich bestenfalls im Mittelfeld wiedergefunden: in Amsterdam etwa müssen Bewohner jährlich 535 EUR für einen Parkplatz bezahlen – in Stockholm sogar 827 EUR!

Ausweitung der bewirtschafteten Flächen

Das Beispiel Wien zeigt, dass der entscheidende Faktor für eine Steuerungswirkung von Parkplatzbewirtschaftung zugunsten des öV nicht etwa der Preis, sondern die Verknappung von kostenfrei verfügbaren Stellflächen ist: Auch nach der Erhöhung der Kurzparkgebühren von 1,20 EUR auf 2,10 EUR/Stunde im Jahr 2017 bleibt der Preis im Verhältnis zu deutschen Großstädten nämlich eher moderat. Dafür werden in der Donaumetropole aber bereits 39 % der Straßenkilometer bewirtschaftet, in München dagegen nur 14 % und in Berlin sogar lediglich 8 %.

Vor allem die deutschen Städte sollten daher konsequent und zügig ihre bewirtschafteten Flächen ausweiten. Doch auch hier hapert es nach wie vor gewaltig. So dürfen Kommunen derzeit beispielsweise nicht im gesamten Stadtgebiet Parkraumbewirtschaftung einführen, sondern nur für einzelne Straßenzüge und nach vorheriger Durchführung intensiver Machbarkeitsuntersuchungen, bei denen Aspekte wie Umweltschutz und Stadtplanung gegenüber etwa der Sicherheit im Straßenverkehr aber nur eine nachrangige Rolle spielen. Zudem fehlen vielerorts der politische Wille und/oder die personellen Ressourcen in der Verwaltung für eine zügige Ausweitung der bewirtschafteten Flächen.

Angemessene Bepreisung

Ein weiterer wichtiger Faktor der Parkraumbewirtschaftung ist die angemessene Bepreisung des Kurzzeitparkens, insbesondere im Verhältnis zu den Preisen für eine zeitlich vergleichbare Nutzung des ÖPNV. civity hat hierzu eine umfangreiche Datenbank aufgebaut, aus der ersichtlich wird, dass in nahezu allen deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern das zweistündige Parken günstiger ist als zwei Einzelfahrscheine des ÖPNV – und selbst bei drei Stunden Parkdauer trifft dies noch auf die Mehrheit der Städte zu. Hinzu kommt, dass sich die Schere zwischen öffentlichem Verkehr und Parken in den letzten Jahren weiter geöffnet hat – zuungunsten des ÖPNV. Verkehrswende geht anders!

Bilanz und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei einer angemessenen, d. h. leistungsgerechten Parkraumbewirtschaftung in Deutschland noch viel Luft nach oben besteht. Dafür muss zunächst der gesetzliche Rahmen so ausgestaltet werden, dass die Städte und Kommunen mehr Spielraum für die konkrete Ausgestaltung der Bewirtschaftung erhalten, um dann selbst entscheiden zu können, wo und zu welchem Grad sie ihn jeweils ausschöpfen wollen.

Im Rahmen einer unabhängigen matters-Studie (geplante Veröffentlichung im Sommer) untersucht civity derzeit detailliert das Thema Parkraumbewirtschaftung. Dabei zeigen wir anhand von Vergleichsanalysen auf, wie unzureichend diese in deutschen Städten derzeit tatsächlich (noch) ist. Anhand prägnanter Vergleiche mit internationalen Städten (z. B. Wien und Zürich) wird zudem deutlich, welche Einflussfaktoren anzupacken sind und welche verkehrslenkenden Wirkungen erzielt werden könn(t)en.

Der „Wiener Weg“ wie auch einige positive Beispiele aus Deutschland zeigen deutlich: durch eine konsequente und dynamische Parkraumbewirtschaftung lässt sich der ÖPNV stärken, bei gleichzeitiger Reduzierung des Parksuchverkehrs. Dafür müssen Gesetzgeber, Städte und Kommunen aber auch entschlossen, zügig und abgestimmt handeln – und hier besteht leider weiterhin großer Nachholbedarf.