Verkehrswende: aufgehoben oder aufgeschoben? — Die zweite Welle und ihre Konsequenzen für den ÖPNV
Mit der zweiten Welle und dem damit verbundenen verschärften Lockdown wird Corona in den kommenden Jahren endgültig zum disruptiven Dauerbegleiter des ÖPNV. Aufbauend auf dem corona update #1 und angepasst an die aktuelle Situation haben wir unsere Erwartungen der weiteren Entwicklung des ÖPNV sowie Empfehlungen für Unternehmen, Aufgabenträger, Kommunen, Länder und Bund zusammengefasst.
Der mit dem 16. Dezember in Kraft getretene verschärfte Lockdown hat umfassende Konsequenzen für den ÖPNV und führt zu massiven Einnahmeverlusten. Nach unseren Berechnungen kostet das Herunterfahren im Dezember den deutschen ÖPNV etwa 900 Mio. € im Monat bzw. knapp 30 Mio. € am Tag oder ca. 1,2 Mio. € pro Stunde. Im Vergleich dazu verliert die Deutsche Lufthansa ungefähr 12 Mio. € am Tag, also ca. 0,5 Mio. € pro Stunde.
Und dabei sind die langfristigen Folgen des Corona-Virus noch nicht einmal berücksichtigt. Das im Frühjahr von uns aufgestellte Positivszenario ohne zweiten Lockdown ist nicht eingetreten. Im besten Fall sind es nun drei verlorene Jahre für die Verkehrswende, im schlechtesten Fall verlieren wir ein halbes Jahrzehnt.
Die Mobilitätsnachfrage wird sich durch die Corona-Pandemie nachhaltig verändern. Bereits bestehende Trends werden verstärkt und beschleunigt. Dies führt dazu, dass der Zuwachs der Verkehrsleistung nach Corona noch stärker als zuvor angenommen im Freizeitverkehr liegen wird.
Auf Basis zum Verlauf der Pandemie mittlerweile bekannter Annahmen haben wir unsere Szenarien aus dem Frühjahr aktualisiert: wir erwarten nun einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf für die ÖPNV-Verkehrsunternehmen zwischen 8 und 14 Mrd. € bis Ende 2030 – davon allein 7 bis 10 Mrd. € bis 2023.
Von den 8 bis 14 Mrd. € entfallen dabei je nach Szenario 3,5 bis über 5 Mrd. € auf den kommunalen ÖSPV und ungefähr 3 bis 4 Mrd. € auf die Unternehmen des SPNV.
Das Potenzial für Kosteneinsparungen mit Hilfe von Angebotsreduktionen und Kurzarbeit ist nur marginal und wird durch Mehrkosten (höhere Hygienestandards etc.) überkompensiert.
Ein Großteil der Verluste tritt erst nach der eigentlichen Pandemie in den Jahren 2022 bis 2023 auf. Mit einem weiteren Rettungsschirm für den ÖPNV im kommenden Jahr (2021) allein ist dem ÖPNV somit nicht geholfen. Der ÖPNV braucht vielmehr eine Verstetigung zusätzlicher Finanzierungsmittel.
Unabhängig von der dramatischen Finanzierungssituation des ÖPNV, die sich durch die COVID-19-Pandemie aktuell und auch für die Folgejahre ergeben wird, ist aber bereits seit vielen Jahren ein kontinuierlicher Rückgang in der Kostendeckung der Verkehrsunternehmen aufgrund überproportionaler Kostensteigerungen, etwa für Personal oder Ersatzinvestitionen festzustellen.
Das daraus resultierende Finanzierungsdefizit wird nicht nur durch Corona, sondern auch aufgrund anderer Ursachen weiter ansteigen, wie z. B. Angebotsausweitungen, steigende Abschreibungen und geringere Produktivität zum Beispiel durch Elektrobusse (Clean Vehicles Directive), steigende Personalkosten und aufgrund der geringen politischen Akzeptanz von Tariferhöhungen. Soweit sogar, dass ohne zusätzliche Finanzierungsmittel die Erhaltung des Bestandsangebots gefährdet ist.
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