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Von Äpfeln und Birnen: Die Probleme mit dem ÖPNV-Preisvergleich des ADAC

Am 19.06.2019 hat der ADAC einen Vergleich der ÖPNV-Preise in Deutschland veröffentlicht. Die gute Nachricht zuerst: Viele der vom ADAC recherchierten Preise sind korrekt recherchiert. Methodische Schwächen und falsche Fakten verzerren die Aussage des ADAC-Reports jedoch deutlich. civity hat einige der Ungenauigkeiten des Reports zusammengetragen.

Der ADAC-Vergleich beginnt mit einem Hinweis auf den großen Preisunterschied der Monatskarten in Hamburg und München:
„(…) So zahlen ÖPNV-Nutzer in München für die Monatskarte im Stadtgebiet 55,20 Euro, in Hamburg hingegen 109,20 Euro (…).“

Ist Hamburg fast doppelt so teuer wie München? Das stimmt so jedoch nicht: In der Hansestadt wurde der Preis „Großbereich Hamburg“ herangezogen. Dieser Bereich entspricht der gesamten Stadt, inklusive ein paar Randgemeinden. In München basiert der angegebene Preis für die Monatskarte auf „2 Ringen“, das ist beispielsweise die innere Stadt, und somit weit entfernt von der Gesamtstadt. Schlichtweg falsch ist die Behauptung des Artikels: „Da nützt es auch nichts, dass man in Hamburg mit dem teuren Ticket auch noch bis weit über die Stadtgrenzen hinausfahren kann – eine Alternative dazu gibt es nicht.“ Man kann in Hamburg durchaus auch eine Monatskarte 2 Zonen kaufen, die grob mit zwei Ringen in München vergleichbar wäre und 68,20 € kosten würde. Zwar liegt der Preis höher als in München, aber entspricht eben nicht dem Doppelten.
Der gleiche methodische Fehler wiederholt sich bei den Wochenkarten, bei denen wiederum der 2-Ringe-Preis in München herangezogen wurde und die bayerische Landeshauptstadt daher als die günstigste Stadt erscheint.

Auch in Hannover kann man zwischen zwei Preisstufen wählen: 1) nur die innere oder nur die äußere Stadt oder 2) die Gesamtstadt. Der genannte Preis von 63 € ist wieder der für nur eine Stadthälfte, für die Gesamtstadt müssen Fahrgäste mit 69 € etwas tiefer in die Tasche greifen. Da wohl die Preise jeweils für die gesamte Stadt verglichen werden sollen (“Monatskarte im Stadtgebiet”) wäre der höhere Preis zum Vergleich angemessen gewesen.

Dem ADAC kann nicht vorgeworfen werden, Hamburg schlecht reden zu wollen: Bei den Einzelfahrscheinen wurde in Hamburg nicht der Preis einer normalen Stadtfahrt herangezogen (3,30 €, der dann höchste Preis im Vergleich wäre), sondern der sogenannte „Nahbereich“ für nur 2,30 €, mit dem aber nur jeweils ein paar Haltestellen weit gefahren werden kann (wie weit genau, hängt von der jeweiligen Starthaltestelle ab).

In der Darstellung der Einzelfahrscheine ist aber auch sonst „der Wurm drin“: Am billigsten ist es angeblich in Mannheim mit 1,80 €. Das stimmt, aber nur im Rahmen des Projektes “Modellstadt Mannheim”, welches vom Bund Fördermittel in Höhe von 30 Millionen Euro erhält und das bis Ende 2020 begrenzt ist. Der normale Preis der Einzelfahrt beträgt hier 2,60 €.

Die Grundaussage des Reports besteht darin, dass das Preisniveau des ÖPNV in deutschen Großstädten sehr unterschiedlich sei. Diese Aussage ist grundsätzlich richtig. Und, ja, Hamburg ist meistens ziemlich teuer, München auch vergleichsweise günstig. Das wird es auch nach der vom ADAC angesprochenen Tarifreform zum Jahresende sein, wenn die Zeitkarten (Monatskarten und Co) in vielen Fällen deutlich günstiger werden.

Zu einer differenzierten Betrachtung von Preisniveaus sollte auch immer die Betrachtung und Quantifizierung des jeweiligen Leistungsspektrums der Fahrkarten gehören, also ob beispielsweise auf der Monatskarte abends noch eine weitere Person mitgenommen werden oder an den/die Partner/-in verliehen werden kann. Solche Unterschiede betrachtet der ADAC-Report ausdrücklich nicht, was für einen Überblick und einen für das Nicht-Fachpublikum intendierten Report natürlich auch nachvollziehbar ist. Bei den Einzelfahrscheinen wird diese Sichtweise im Artikel aber doch durchdekliniert.

Ganz so extrem wie dargestellt sind die Preisunterschiede zwischen den Städten also nicht. Etwas mehr Sorgfalt bei der Recherche hätte die Glaubwürdigkeit erhöht.